Versinkt die Europäische Bürgerinitiative im Chaos?

Ja, wenn man dem Abgeordneten zum Europäischen Parlament Gerald Häfner Glauben schenkt, wobei der von ihm ausgesprochene Satz "The European Citizens' Initiative is a mess" noch deutlichere Interpretationen zulässt. Häfner war einer der Moderatoren einer Konferenz zum Thema "Assessment of the European Citizens' Initiative in Practice", die am 5. Oktober 2012 in Wien stattfand.

 

Praktische Probleme

In einer ersten Runde beklagten fünf InitiatorInnen von  Europäischen Bürgerinitiativen (EBIs) die Probleme mit der von der Europäischen Kommission (EK) zur Verfügung gestellten Software und den Anforderungen an die Zertifizierung für online-Sammelsysteme. VertreterInnen der EK gaben "Anfangsprobleme" zu. Daher will die EK die Frist zur Sammlung der Unterschriften verlängern, wogegen sich der Vertreter des österreichsichen Innenministeriums (Zuständige Behörde in Österreich) aussprach, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gäbe.

Assessment of the European Citizens' Initiative in Practise
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Kritik und Lösungsansätze

Danach zeichneten die Professoren Prosser (Wirtschaftsuniversität Wien) und Müller-Török (Universität für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg) ein noch düstereres Bild. Beide warnten alle Beteiligten, eine Initiative zu starten. Die rechtlichen Konsequenzen für die InitiatorInnen seien unabschätzbar, die EBI-Verordnung "in ihrer Essenz" unbrauchbar.

 

Kaufmann (Institut für Initiativen&Referendum) widersprach dieser Einschätzung. Alle, die jetzt an der EBI arbeiten, sowohl auf Seite der OrganisatorInnen als auch die Verwaltung, seien Pioniere und diese hätten es immer schwer. Man müsse laufende Verbesserungen schaffen, insbesondere die technische Infrastruktur müsse leichter zugänglich sein. Poier (Universität Graz) forderte eine inhaltiche Erweitrung der EBI, auch Vertragsänderungen sollten ein Thema für Bürgerinitiativen sein können.

 

Anregungen und Einschätzung

Michaela Sieh stellte die Initiative Allianz Eliant vor, die sich außerhalb des Rahmens der EBI für Menschenwürde und individuelle Entwicklung als zentrale Werte der europäischer Kultur einsetzt. Eine Vorbereitungszeit von 1-2 Jahren ist unerlässlich. Man braucht ein online Spendensammelsystem und Informationskanäle, um die UnterstützerInnen bei der "Stange zu halten". Einige der laufenden Initiativen erfüllen diese Anforderungen bei weitem nicht.

 

Insoferne konnte während der ganzen Konferenz ein Spannungsfeld zwischen zumeist jungen, engagierten, aber schlecht vorbereitetetn InitatorInnen und den formalen Anforderungen festgestellt werden. Aus Sicht von Wir Sind Europa ist dies jedoch kein Grund, die Europäische Bürgerinitiative zu verdammen: Das Chaos ist auflösbar.

 

Margareta Stubenrauch, 7. Oktober 2012