Der Rosinenpicker

Der Duden beschreibt Rosinenpickerei als das egoistische Bemühen, sich von etwas Bestimmtem nur die attraktivsten Teile zu sichern, um die eher unattraktiven anderen zu überlasssen.

 

Genau das hat der britische Premierminister David Cameron in seiner Rede zu Europa neulich getan. Hinter scheinbaren  (durchaus wünschenswerten) Reformvorschlägen wird der britische Traum sonnenklar: Ein Binnenmarkt und sonst nichts. Ein Binnenmarkt, den die Briten sogar erfunden haben wollen. Was wohl der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission Jacques Delors dazu sagt?

 

Camerons tiefe Ablehnung eines zentralen Prinzips (Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas) des Vertrags von Rom - genau diesem ist Großbritannien 1973 beigetreten  - wird in den Nebensätzen spürbar.

 

"Einige [Mitgliedsstaaten] denken über eine tiefgreifende wirtschaftliche und politische Integration nach. Und viele andere, einschließlich Großbritannien, würden dieses Ziel niemals akzeptieren."

 

"Wir verstehen und respektieren das Recht der Anderen, an ihrem Bekenntnis zu diesem Ziel festzuhalten. Aber für Großbritannien - und vielleicht für andere - ist dies kein Ziel."

Cameron lobt sich natürlich auch für alles, was er den BritInnen erspart zu haben vermeint:  Kein Bail-out für Euro-Länder, Großbritannien nimmt am Fiskalpakt nicht teil und bekämpft die Bankenunion. Warum das britische Pfund aber so desaströs an Wert gegenüber dem Euro verliert, erklärt er nicht.

 

Dann vermischt er Äpfel und Birnen, indem er die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beklagt, der mit der Europäischen Union rein gar nichts zu tun hat, sondern für die Mitglieder des Europarates zuständig ist. Will Cameron auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten?

 

Die größte Cameronsche Chuzpe ist allerdings die Ankündigung eines Referendums über den Verbleib Großbritanniens in der EU, wobei nicht die Tatsache an sich verurteilenswert ist, sondern das Vorgehen. Wenn Cameron 2015 wiedergewählt wird, dann wird er ein Referendum abhalten lassen. Bis dahin wird er versuchen, die Staats-und Regierungschefs der restlichen 26 Mitgliedsstaaten damit zu erpressen, um seine Vorstellungen von europäischer Integration (ein Widerspruch in sich) durchzusetzen. Es bräuchte einen Charles de Gaulle (zweimaliges Veto gegen den britischen EWG-Beitritt), um diese Strategie nicht aufgehen zu lassen.

 

Margareta Stubenrauch, 5. Februar 2013