Manuel Rivas, Suhrkamp Taschenbuch, 2002
169 Seiten, ISBN 3518398156
Was liegt näher als nach einem Urlaub in Galizien den "Bleistift des Zimmermanns" zu lesen? Ein Buch, übersetzt aus dem Galizischen, nicht aus dem Spanischen. Die Geschichte ist nicht ohne
Pathos.
Zur Zeit des spanischen Bürgerkriegs kämpft der Arzt Daniel da Barca vom Gefängnis aus um die Freiheit und gegen die Tuberkulose. Der strahlende Held wankt nie. ("Die wahren Grenzen sind die,
welche die Armen vom Kuchen fernhalten.") Marisa Mallo, zuerst da Barcas große Liebe, dann seine Ehefrau, schneidet sich zwar einmal aus Verzweiflung die Pulsadern auf, ist aber sonst ebenso
unerschütterlich in ihrer Liebe zu Daniel wie dieser in seinem Glauben an die Gerechtigkeit. Dennoch ist der "Bleistift des Zimmermanns" alles andere als eine banale Liebesgeschichte. Das liegt
an Herbal, der Daniel bespitzelt, denunziert, bewacht und nicht von ihm loskommt. Herbal wird gleichzeitig vom Bleistift des Zimmermanns heimgesucht, einem Maler, den er - einem Befehl folgend -
getötet hat.
Ein vielschichtiger und dabei kurzer Roman, der auch sprachlich zu begeistern vermag: wunderbare Bilder und gnadenloser Realismus. Manuel Rivas beherrscht beides, wie man an den folgenden
Kostproben sehen kann.
"Die Wäscherinnen haben rosige Hände, weil sie sich durch das viele Schrubben auf dem Wasserstein die Jahre von der Haut reiben... Ihre Arme sind die Stiele des Pinsels...wenn sie nasse Wäsche
auswringen, spannen sich die Arme der Wäscherinnen wie Wurzeln am Ufer. Der Hügel ist wie eine Leinwand. Sie malen auf Ginsterbüsche und Dornengestrüpp."
"Mit meinem Vater hatte ich zum letzten Mal bei meiner Rückkehr aus Asturien gesprochen. Wir streiten uns dauernd. Ich weigerte mich zu arbeiten, sagte ihm, ich sei auf Urlaub und er sei ein
Tier. Und darauf antwortete mein Vater mit einer Gelassenheit, die ich bei ihm nicht kannte: Ich habe niemanden umgebracht... Du kannst froh sein, wenn du als alter Mann das gleiche sagen
kannst."
Margareta Stubenrauch, 30.10.2005