BuchEuro

Preisfrage: was kostet ein Buch um EUR 10,00? Ganz einfach: in Deutschland wirklich zehn Euro in Österreich EUR 10,30. Dafür bekommt man in Österreich ein Flugblattl dazu, das diese 30 Cent wert ist: der andere - höhere Mehrwertsteuersatz, Portokosten, Überweisungsspesen und daraus resultierende Manipulationskosten schlagen sich in den, so gesehen noch wohlfeilen, 0,3 Euro nieder. Dafür bekommt man ein Buch auf dem EUR 10,00 aufgedruckt und EUR 10,30 ausgepreist ist.

Nostalgie kommt auf: da gab es doch früher die Buchmark. Der Buchhändler kramte sie aus einer abgegriffenen Liste heraus, setzte einen Taschenrechner in Betrieb und errechnet auf den Groschen genau einen Buchpreis. Diese Buchmark war in Österreich immer teurer als in Deutschland. Es hat mich immer gewundert, warum niemand dieses Währungsgefälle zu Spekulationen genutzt hat. Diese Währung blieb ein Buchgeld - vielleicht sind Bücherleser nicht unbedingt Finanzhaie und ökonomische Genies.

Jetzt haben wir also den BuchEuro. Wer aber glaubt, dass er im Verhältnis 10/10,3 notiert, täuscht gewaltig. Wer nämlich ein Buch eines Verlages haben will, der in Österreich kein Auslieferungslager hat - komischerweise bin das immer ich. Dann macht der BuchEuro einen Höhenflug. Bei einem Buch, das EUR 25 kostet muß man schon noch zusätzliche 50 Euro rechnen. Die Post hat in diesem entgrenzten Raum natürlich eine hohe Verantwortung: sie müssen doch darauf vorbereitet sein, das wertvolle Gut dereinst von einer privatisierten Körperschaft der anderen zu übergeben. Das kostet! Die Banken müssen gerade bei so kleinen Beträgen ihre Programme jedesmal neu schreiben. Wär auch blöd, wenn gerade die 25 Euro verloren gehen, während die Millionen mühelos verschoben werden.

"Habens net was in Freilassing zu tun?" fragt der Buchhändler mit einem Blick auf eine abgegriffene Liste, auf der jetzt die Nebenkosten stehen. Freilassing! Das Einkaufsparadies früherer Jahrzehnte! Dort wo in den 80ern billige Milch und billiges Bier flossen, wo die Kranken Heilung suchten bei den Naturärzten und den Medikamenten, die Österreichs Behörden einfach nicht hergeben wollten. Nach dem EU-Beitritt drohte es zu einem unbedeutenden Schmankerl-Eck zu verkommen: der süße Senf, die Laugenbrezen und die Weißwürste sind in Bayern doch besser! Aber was bringt schon der Weißwurst-Tourismus?

Jetzt überschreitet man zwar nicht den Rubikon, aber die Saalach und ist in einer anderen Welt. Das Zehneurobuch kostet EUR 10,00 und keinen Cent mehr. Sogar das Buch des exotischen Verlages kostet nur EUR 25,00. Die Post läßt sich also offenbar nur die paar Meter über die Saalach so teuer bezahlen und die Banken können den Betrag genauso leicht verschieben, wie einige Millionen. Völlig neue - aber doch irgendwie vertraute - Handelsformen tun sich auf: da ist der pensionierte Buchhändler, der dem nicht mehr so mobilen Emeritus das Buch von "drüben" abholt. Ist das eigentlich Schmuggel?

Oder eine andere Form der New-Economy: man kauft 100 Bücher, verscherbelt sie unter der Hand und finanziert damit die Fahrt nach Freilassing – um das benötigte Buch zu kaufen. Das ist eine Integration auf Schleich-Wegen. Ganz Europa ist vereint! Nur ein winziges Stück widersetzt sich. Wäre hier nicht Platz für ein Grenzmuseum? Grenzen, die Napoleon und Metternich geschaffen haben, kann Brüssel nicht so einfach wegradieren! Freiheit für Freilassing! Freilassing, das Hongkong am Alpenrand.

Wolfgang Vogel, 21.1.2002