Europa 2020

Die Europäische Kommission hat am 3.3.2010 ihren Vorschlag für Europa 2020, eine europäische Strategie für die nächsten zehn Jahre, mit fünf quantifizierbaren Zielen vorgelegt:

– 75 % der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren sollten in Arbeit stehen.
– 3 % des BIP der EU sollten für F&E aufgewendet werden.
– Die 20-20-20-Klimaschutz-/Energieziele sollten erreicht werden (einschließlich einer Erhöhung des Emissionsreduktionsziels auf 30 %, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind).
– Der Anteil der Schulabbrecher sollte auf unter 10 % abgesenkt werden, und mindestens 40 % der jüngeren Generation sollten einen Hochschulabschluss haben.
– Die Zahl der armutsgefährdeten Personen sollte um 20 Millionen sinken.

Dabei handelt es sich um die Nachfolgeaktivitäten zur Lissabon-Strategie von 2000, die zum Ziel hatte, die EU zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu machen und bis 2010 Vollbeschäftigung zu erreichen. Infolge der mangelnden politischen Unterstützung aller Beteiligten und aufgrund fehlender Instrumente zur Durchsetzung ist die Lissabon-Strategie in Fehlschlag.

Umso erstaunlicher ist es, dass Europa 2020 alle alten Fehler wiederholt. Die als große Neuerung bezeichneten quantifizierbaren Ziele stellen zum Teil eine Fortschreibung der bestehenden Strategie dar: 3 % des BIP für Forschungsausgaben sind nun wirklich nichts Neues.

Im Umweltbereich werden die bereits 2008 rechtlich verbindlich festgelegten Ziele wie z.B. die 20 %ige Reduktion der Kohlendioxidemissionen einfach nur wiederholt. Ist es hinreichend, in einer auf die nächsten zehn Jahre ausgerichteten Strategie auf bereits bestehendes EU-Recht zu verweisen? Was ist daran strategisch?

Darüberhinaus fallen drei der fünf Ziele nahezu ausschließlich in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten: Armutsbekämpfung, Bildung und Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass die EU-Verträge gar keine Basis für gemeinschaftliches Vorgehen enthalten. Zufall oder Absicht, um etwaiges Scheitern zu vernebeln? Noch bedauernswerter als die wenig ambitionierten Ziele ist die Wiederholung der bereits in der Lissabon-Stratgie fehlgeschlagenen Methodik. Aufgrund der fehlenden Gemeinschaftskompetenz werden die allgemeinen EU-Ziele national heruntergebrochen, die Mitgliedsstaaten berichten an die Europäische Kommission, die bei Nichterreichung eine „politische“ Warnung ausspricht, was auch immer das bedeuten mag.

Solange europäische Ziele nicht in einen verbindlichen europäischen Rechtsrahmen eingebettet sind, solange Ziele nur wiederholt werden und solange es keine Sanktionsmechanismen für die Nichterreichung gibt, solange bliebt EU 2020 ein zahnloser Papiertiger, und damit die EU unter ihren Möglichkeiten, den Herausforderungen der Zukunft wirksam zu begegnen.

Margareta Stubenrauch, 7. März 2010