Happy Birthday, Don Quijote!

Miguel de Cervantes' "Don Quijote" (sprich: kichote) erschien zum ersten Mal vor 400 Jahren. Seitdem ist der oft als erster Roman bezeichnete spanische Klassiker Weltliteratur geworden.

Spanien feiert dieses Ereignis mit einer Reihe von kulturellen Veranstaltungen und auch mit einer gehörigen Portion Geschäftssinn, um den Tourismus in der kargen Mancha voranzutreiben, auf den Spuren Don Quijotes und seines Schöpfers Miguel de Cervantes; die Grenzen sind fließend. Auf einer eigenen (mittlerweile nicht mehr zugänglichen) Webseite kann die Reise virtuell schon einmal beginnen. Am besten fängt man damit an, sich den vollständigen Roman herunterzuladen. Wer nicht spanisch kann, greife dann doch lieber zur DTV-Ausgabe...

Die Geschichte ist bekannt: Der schon etwas ältliche Don Quijote hat so viele Ritterromane gelesen, dass er beschließt, sein eigenes Leben nach diesen chivalresken Idealen zu gestalten. Er zieht in die Welt, um Abenteuer zu bestehen und den dadurch erworbenen Ruhm seiner (imaginären) Angebeteten Dulcinea zu Füßen zu legen. Die erste Reise ist kurz - Ohne Begleitung und ohne Geld endet das Abenteuer schon nach wenigen Wochen wieder zu Hause. Und während er krank darniederliegt, "säubern" wohlmeinende Freunde seine Bibliothek.

Beim zweiten Aufbruch hat Don Quijote einen Schildknappen mit dabei, den naiv-pfiffigen Sancho Pansa. Gemeinsam bestehen sie viele Abenteuer, die zumeist mit derben Prügeln und blauen Flecken enden. Sie kämpfen gegen Windmühlen und Walkmaschinen, befreien Gefangene und treffen Menschen mit den erstaunlichsten Schicksalen.

Der erste Teil endet ohne klares Ende, und es ist durchaus denkbar, dass Cervantes schon an eine Fortsetzung gedacht hatte, die zehn Jahre später erschien. Im zweiten Teil treten die Abenteuer immer mehr zurück, auch wenn Don Quijote nach wie vor seinen ritterlichen Idealen nacheifert, während Sancho Pansa zu überleben versucht. Mehr und mehr nehmen die beiden voneinander an. Don Quijote ist - jenseits des Rittertums - voll Weisheit über das Leben und die Menschen und Sancho verteidigt die ritterlichen Tugenden, sobald sie von einem Dritten angegriffen werden. Der Roman endet mit der "Läuterung" Don Quijotes, wonach der Sinn des Lebens darin besteht, nicht einem Traum hinterher zu laufen, sondern seinen Platz in der Welt zu finden ("Wer Unmögliches begehrt, soll das Mögliche nicht haben").

Don Quijote ist wie alle großen Werke der Literatur aber viel mehr als eine gut erzählte Geschichte. Cervantes hatte als Schriftsteller zwei Ansprüche: zu belehren UND zu unterhalten und sich dabei selbst treu zu bleiben. Deshalb spricht aus Don Quijote niemals nur der erhobenen Zeigefinger, sondern zwinkert immer auch ein ironisches Auge. Cervantes schafft es noch dazu, Seitenhiebe an seine literarsichen Konkurrenten auszuteilen und die politischen Zustände im Spanien des 16. Jhdts. zu kritisieren.

Hinsichtlich seiner Länge und seiner Sprache ist Don Quijote natürlich eine Herausforderung. Dennoch lesen sich die 1100 Seiten erstaunlich fließend und wer hat jemals eloquenter geschimpft als der Ritter von der traurigen Gestalt: " Entferne dich aus meiner Gegenwart, du Ungeheuer der Natur, du Vorratskammer der Lügen, du Zeughaus der Tücke, Senkgrube der Schelmenstreiche, Erfinder der Bosheiten, Verbreiter sinnloser Dummheiten, Feind der Ehrerbietung, die man königlichen Personen schuldet. Hebe dich von hinnen, lass dich nicht mehr vor mir sehen, bei Strafe meines Zornes!"

Miguel de Cervantes (1547-1616) war, als er Don Quijote schrieb, schon ein ältlicher Mann, der eine bemerkenswerte Biografie aufzuweisen hat. Aus ärmlichen, vermutlich aber adeligen Verhältnissen stammend, muss er Spanien wegen einer "Ehrensache" verlassen, gelangt nach Italien und wird Soldat. In der Seeschlacht von Lepanto (1571) verwundet, wird er nach seiner Genesung auf der Heimreise von arabischen Piraten entführt und kommt erst nach fünfjähriger Gefangenschaft in Algiers frei. Er unternimmt nicht weniger als vier Fluchtversuche ("Die größte Sünde ist die Verzweiflung.") Endlich freigekauft, kehrt er nach Spanien zurück, wo seine Hoffnung auf einen einträglichen Posten nicht erfüllt wird. Er heiratet, lässt seine Frau jedoch bald sitzen und schlägt sich als öffentlicher Beschaffer und Steuereintreiber durch. Cervantes schreibt sein ganzes Leben lang. Auch der Don Quijote macht ihn nicht reich. Viele seiner Werke gingen verloren. Seine beiden Romanhelden sind jedoch genauso lebendig und glaubwürdig wie vor 400 Jahren. Happy Birthday, Don Quijote und Sancho Pansa!

Margareta Stubenrauch, 10. Juli 2005