Irland kein Thema?

Beim heute beginnenden Europäischen Rat in Brüssel wird die Finanzkrise großen Raum einnehmen. Wenig Fortschritte wird es in der Frage des irischen Nein zum Vertrag von Lissabon geben, wenn auch mittlerweile mehr als genug Analysen vorliegen. Am 12. Juni 2008 hatten 53, 4 % der Referendums-TeilnehmerInnen gegen den Vertrag gestimmt, bei einer Beteiligung von 53,1 %.

Ausschlaggebend war u.a. eine simple Kampagne der VertragsgegnerInnen: “Don’t know? Vote no!“ Und insbesondere die Jungen sind darauf hereingefallen. 65 % der 18-24-Jährigen stimmten mit Nein. Bravo! Wo ist sie denn, die Multi-Media-Generation, die mit dem PC spielte, bevor sie einen Löffel halten konnte? Zur selbständigen Informationssuche und Meinungsbildung hat es offenbar nicht gereicht. Zugegeben, der Vertrag ist schwer lesbar, aber hin und wieder darf man von mündigen BürgerInnen doch ein bisschen Hirnschmalz erwarten, oder?

Die Gründe der Nein-SagerInnen sind besonders schwierig nachzuvollziehen. Das berühmte Informationsdefizit bedarf in Zeiten des Internets keines zusätzlichen Kommentars. Warum ein Nein zum Vertrag von Lissabon die irische Identität schützt, wird mir auf ewig verborgen bleiben. Was ist denn diese vielzitierte irische Identität? Weltweites Saufen am St. Patrick’s Day? Das wird durch den Vertrag nicht berührt und auch sonst enthält der Text keinerlei Bestimmungen, die ein Ausleben soziokultureller Inseleigenheiten verhindern.

Misstrauen in die nationalen PolitikerInnen ist ein weiterer Ablehnungsgrund. Und deswegen blockiert man ein europäisches Vertragswerk? Wenn mein Bein schmerzt, lasse ich mir eine Niere entfernen…

Die Krönung aller Argumente der NeinsagerInnen ist jedoch, dass sie mit ihrem Nein sicherstellen wollten, dass jeder EU-Mitgliedsstaat weiterhin „seine/n“ Kommissar/in behält. Liebe Irinnen und Iren, es hätte sich in der Tat gelohnt, den gegenwärtig gültigen (Nizza) und den zukünftigen (Lissabon) Vertrag zu lesen:

Nizza: Ab der ersten Kommission [also jener von 2009], die ernannt wird, sobald die Union 27 Mitgliedsstaaten umfasst, ist die Zahl der Kommissionsmitglieder geringer als die Zahl der Mitgliedsstaaten.

Lissabon: Die Kommission, die zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon und dem 31.10.2014 ernannt wird, besteht […] aus je einem Staatsangehörigen jedes Mitgliedsstaates.

Da hätte anstelle von „Don’t know? Vote no!“ „Don’t know? Get informed!“ vielleicht ein wenig geholfen, obwohl die Nationalität der KommissarInnen vielleicht nicht das dringendste Problem in Europa ist. Wie gesagt, der Europäische Rat wird dieses Mal kaum über Irland reden, was ich bedauerlich finde. Denn es wäre wohl an der Zeit, laut über einen Plan B nachzudenken.

Margareta Stubenrauch, 16.Oktober 2008