Was bedeutet uns Europa?

Die Vertretung der Europäischen Kommission in Wien und die Universität Wien luden am 1. Februar 2006 zu einer Diskussionsrunde "Was bedeutet uns Europa?" in den Uni-Campus.

In einer ersten Runde sollten die Ursachen des österreichischen EU-Skeptizismus analysiert werden. Oliver Rathkob (Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien) sah die Hauptursache in einem Mangel an Vertrauen in die eigene österreichische Identität, immer noch eine Folge des Zusammenbruchs des Habsburger-Reiches 1918. Kurt Scholz (Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien) nannte Müdigkeit, "Entgrenzung", die gesamteuropäische Identitätsschwäche und innenpolitische Verwerfungen als Gründe. Bernhard Drummel (Greenpeace) attestierte der EU falsche Prioritäten und ein schlechtes Marketing, bei gleichzeitiger Bekräftigung ihrer Existenz. Kurt Seinitz (Kronenzeitung) beschränkte sich auf das Demokratiedefizit. Das Europäische Parlament repräsentiere nicht die BürgerInnen Europas, sondern sei in seiner Zusammensetzung die Summe nationaler Denkzettelwahlen.

Leider achtete der Moderator Christian Ortner (Profil) gar nicht auf die getroffenen zeitlichen Vereinbarungen, sodass die eigentliche Runde mit Ex-Kommissar Franz Fischler, Jiří Gruša (Diplomatische Akademie), Alexandra Schantl (Europäische Föderalisten), Karl Georg Doutlik (Europäsche Kommission) und Georg Winckler (Universität Wien), die sich dem Thema "Die Zusammenführung Europas mit seinen Bürgern" widmen sollte, sehr verspätet begann.

Der daraus resultierende Zeitdruck wirkte sich negativ auf das Niveau der Diskussion aus, die leider äußerst oberflächlich blieb. Ex-Kommissar Fischler spannte einen Bogen vom nicht allein mehr ausreichenden Friedensprojekt über die Überalterung der europäischen Bevölkerung zur Forschungspolitik. Auch Rektor Winckler sah in der Wissensgesellschaft eine Lösung für die Demografie, ohne konkret zu werden. Schantl kritisierte die oft schlechte Medienberichterstattung zu europäischen Fragen. Doutlik wies zu Recht auf das falsche Bild von der EU und uns hin. ("Wir sind die EU.") Leider ließ auch Gruša seine gewohnte Brillianz vermissen. Seine Gedanken zu Nation und Demokratie blieben konfus. Moderator Hans Rauscher (Standard) gelang es nicht, die Diskussion zu ihrer Kernfrage zurückzuführen. Als das Publikum das Wort ergriff, fiel die Veranstaltung völlig auseinander: Dienstleistungs-Richtlinie, europäischer Föderalismus, private versus staatliche Pensionsvorsorge.

Vielleicht wäre es klüger gewesen, statt zwei Moderatoren und neun Rednern nur die Hälfte einzuladen und dafür für jene Tiefe und Struktur zu sorgen, die das Thema zweifellos verdient hätte.

Margareta Stubenrauch, 3. Februar 2006