Willkommen, Polen!

Der ehemalige polnische Außenminister Władysław Bartoszewski sagte am 2. April 2003 bei einer Veranstaltung der Stimmen für Europa, dass "eine EU-Erweiterung ohne Polen eine Erweiterung ohne Verstand sei". Glücklicherweise hat die polnische Bevölkerung beim EU-Beitrittsreferendum dafür gesorgt, dass es zu einer Erweiterung mit Verstand kommt.

77,5% der Polinnen und Polen stimmten am 7. und 8. Juni 2003 für den Beitritt ihres Landes zur EU und bestätigten damit die jüngsten Umfragen. Die Wahlbeteiligung betrug 58, 8% und lag damit deutlich über den Vorhersagen.

Polen stellte am 5. April 1994 seinen EU-Beitrittsantrag. Die Verhandlungen wurden 1998 aufgenommen und im Dezember 2002 beim EU-Gipfel in Kopenhagen abgeschlossen. Das Europäische Parlament hat die Beitrittsverträge bereits am 9. April 2003 ratifiziert, die am 16. April 2003 beim EU-Gipfel in Athen feierlich unterzeichnet wurden. Nach Ratifizierung durch die nationalen Parlamente der derzeitigen Mitgliedsstaaten wird Polen am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beitreten.

Polen ist mit einer Bevölkerung von knapp 39 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 312.685 km2 das weitaus größte aller Beitrittsländer. Polen ist daher nicht nur ein interessanter Wirtschaftsmarkt, sondern auch von großer Bedeutung für die politische Stabilität in Europa.

Zur Geschichte Polens

Der Name Polen stammt von den Polanen, die in der 2. Hälfte des ersten Jahrtausends um Gniezno siedelten und unter den regierenden Piasten laufend ihre Herrschaft erweiterten. Mieszko I ist der erste durch Quellen belegte Piastenfürst. 966 nahm er den christlichen Glauben an. Dadurch entging er der militärischen Christianisierung durch die Kreuzzüge. Geschickt sich mit Papst und Kaiser verständigend, konnten Mieszko und sein Sohn Boleslav ihre Herrschaftsbereiche weiter vergrößern. Im 12. und 13. Jhdt. erlangten die Adeligen mehr Mitspracherechte, was zur Bildung selbständiger Teilfürstentümer führte. So entstand u.a. der Ordensstaat in Ostpreußen. In dieser Zeit kam es auch zu einer beträchtlichen Einwanderungsbewegung: deutsche Siedler, italienische Priester und jüdische Kaufleute trugen zu einem multinationalen Klima bei. Die Mongoleninvasionen von 1241, 1259 und 1287 bewirkten Rückschläge. Im 14. Jhdt. stiegen die Zersplitterung des Staatswesens und die Bedrohung durch mächtige Nachbarn deutlich an. Der letzte Piastenkönig Kazimierz der Große (1333-1370) verzichtete weitgehend auf militärische Abenteuer und versuchte, sein Königreich kulturell und wirtschaftlich voranzubringen. Unter seine Herrschaft fällt die Gründung der Universität Kraków.

Mit dem Tod König Kazimierz’s 1370 erlosch die Piastendynastie. Nach einem kurzen Zwischenspiel des ungarischen Königs Ludwig war der polnische Königsthron 1382 wieder verwaist. Ludwigs Tochter Jadwiga wurde 1385 mit dem litauischen Großfürsten Jagiello verheiratet, der ein Jahr später zum christlichen Glauben konvertierte. Damit war der polnisch-litauische Doppelstaat begründet, der sich im 15. und 16. Jhdt. zu einem bedeutenden Machtfaktor in Europa entwickelte, und in bestimmten Phasen von der Ostsee bis ans Schwarze Meer reichte.

Die erfolgreiche Entwicklung Polens im 15. Jhdt. basierte auf militärischen Siegen, u.a. gegen den Deutschordensstaat, wirtschaftlichem Fortschritt und vergleichsweise großer religiöser Toleranz. Das 16. Jhdt. war noch "goldener". Polen war ein Zentrum der Renaissance, was sich in vielen Städten und Adelssitzen auch architektonisch ausdrückte. Mit der wachsenden Bedeutung von Bildung und Wissen (Kopernikus) stieg auch das Bedürfnis des Adels an politischer Teilhabe. Und wenn anderswo in Europa die Bürger und Kaufleute aufstiegen, war es in Polen der Adel (Szlachta), der sich in Parlamenten auf nationaler und regionaler Ebene organisierte und die Macht des Königs beschnitt.

Mit dem Aussterben der Jagiellonen und einer Reihe kurzer Herrschaftszeiten diverser Wahlkönige wuchs die militärische Bedrohung, weil der König zu schwach und die Teilfürsten zu zersplittert waren, um einheitliche Armeen aufzustellen und zu führen. Auch die kurzfristige Besetzung Moskaus (1610) durch ein polnisches Heer konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass mit dem erstarkenden Großfürstentum im Osten eine neue Gefahr für Polen entstand. Eine weitere Bedrohung im Inneren war der Kosakenaufstand im Süden des Reiches 1648. Die Schweden nutzten die Schwäche Polens und griffen im Norden an. Steigender Konservativismus, wachsende Intoleranz und eine allgemeine Reformunbereitschaft waren die Folge. Ruhmestaten, wie die Befreiung Wiens von den Türken, 1683 durch König Jan Sobieski, blieben Eintagsfliegen im wachsenden Chaos, das auch im 18.Jhdt andauerte. Der allgemeine Niedergang führte zu den drei Teilungen Polens durch Österreich, Preußen und Russland. Polen verschwand damit 1795 von der europäischen Landkarte. Zuvor hatte es sich am 3. Mai 1791 eine demokratische Verfassung gegeben, die im Kontext der Zeit bemerkenswert war. Noch heute wird der polnische Nationalfeiertag am 3. Mai gefeiert.

Die 123 Jahre polnischer Staatenlosigkeit waren durch zahlreiche, erfolglose Aufstände, insbesondere im russischen Teil Polens geprägt. Nach der Oktoberrevolution, dem Zerfall des Habsburger-Reiches und der deutschen Niederlage im 1. Weltkrieg entstand Polen 1918 als Republik wieder. Friede kehrte nicht ein. Die polnische Armee besetzte einerseits die Hauptstadt des 1918 unabhängig gewordenen Litauen, Vilnius, und kämpfte andererseits gegen die Rote Armee, die sie 1920 vor Warschau besiegte. Wie nahezu überall in Mitteleuropa, war das politische System Polens in den 20er und 30er Jahren des 20. Jhdts. ein Zwitter zwischen Demokratie und Diktatur. Die Regime der Nachbarn im Osten und im Westen, die sich im Hitler-Stalin-Pakt miteinander verbanden, waren allerdings weitaus bedrohlicher.

Mit Hitlers Überfall auf Polen am 1. September 1939 begannen für Polen wohl die schwärzesten Jahre seiner Geschichte. Sechs Millionen Polen, davon drei Millionen polnische Juden, verloren ihr Leben. Die Hauptstadt Warschau, Schauplatz des Ghetto-Aufstandes von 1943 und des Aufstandes der polnischen Heimatarmee 1944, war dem Erdboden gleichgemacht. In den Konferenzen der Alliierten dem sowjetischen Einflussbereich zugesprochen, übernahm 1945 eine Mehrparteien-Regierung die Herrschaft. Die Kommunisten brauchten drei Jahre, um sich der anderen Parteien zu entledigen.

Das kommunistische Regime in Polen war nie vergleichbar mit jenen in der DDR oder der Sowjetunion selbst. Die Landwirtschaft wurde kaum zwangskollektiviert und regelmäßige Aufstände und Demonstrationen 1956, 1970 und 1976 beweisen, dass die kommunistische Durchdringung Polens niemals wirklich gelungen war. 1980 wurde die unabhängige Gewerkschaft Solidarność gegründet, was von vielen Beobachtern für das herausragendste Einzelereignis in der Fülle der Entwicklungen, die 1989 zum Zusammenbruch des Ostblocks führten, angesehen wird.

1989 gab es die ersten (halb)freien Wahlen, die mit einem überwältigenden Erfolg für Solidarność endeten. Seitdem haben in Polen rechte und linke Regierungen einander regelmäßig abgelöst, was am wirtschaftlichen und politischen Reformkurs wenig änderte. Polen trat 1999 der NATO bei und wird nach dem erfolgreichen Beitrittsreferendum am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union.

Weitere Informationen:

Offizielle Webseite der Republik Polen

Länderprofil

Margareta Stubenrauch, 9. Juni 2003, aktualisiert am 27. August 2010